Rostocker Forscher gestalten maritime Energiewende

Durch das ehrgeizige Ziel der Politik, eine klimaneutrale Schifffahrt zu erreichen, steht die Branche enorm unter Druck. Um die Erderwärmung zu stoppen, hat die EU eine CO2-Reduzierung bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent beschlossen. In einem neuen großen Verbund-Projekt, das den Namen „TEME2030+ Technologieevaluation für Marinemotoren zur Erreichung der THG-Ziele 2030“ trägt, wirkt der Lehrstuhl für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren der Universität Rostock gemeinsam mit sieben Partnern aus Industrie und Forschung maßgeblich mit. Das Verbundprojekt wird mit 3,2 Millionen Euro vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) gefördert. Das ist die zweitgrößte von derzeit 360 Einzelzuwendungen innerhalb des Maritimen Forschungsprogramms des BMWi.

Mit den Forschungsarbeiten sollen die Grundlagen geschaffen werden, um zukünftige Emissions- und Klimaziele in der internationalen Schifffahrt zu erfüllen. Die Schiffsmotoren müssen auf schadstoffärmere Verfahren ausgerichtet werden, um Schwefel- und Stickoxidemissionen deutlich zu reduzieren und  gleichzeitig deutlich weniger CO2 und Treibhausgase auszustoßen, damit die zukünftigen Klimaziele erreicht werden. Für die Forschungen steht an der Universität Rostock der größte Einzylinder-Forschungsmotor an einer europäischen Universität zur Verfügung. Es ist ein sogenannter Dual-Fuel-Motor, der sowohl mit flüssigen Kraftstoffen als auch mit Gas betrieben werden kann. „Der öffentliche und politische Druck für saubere Schiffsabgase und klimaneutrale Schiffsantriebe wird kontinuierlich steigen“, sagt Professor Bert Buchholz, Leiter des Lehrstuhls.  Durch das aktuelle Projekt sollen die Treibhausgasemissionen gegenüber bestehenden Dual-Fuel-Motoren bis 2030 um bis zu 35 Prozent sinken. Professor Bert Buchholz formuliert diese Aufgabe so: „Methan ist in Form von Erdgas bereits heute der sauberste Schiffskraftstoff. Zukünftig muss es aber darum gehen, die entstehenden Treibhausgasemissionen mit schnell verfügbaren Lösungen deutlich zu senken und die Brücke zu synthetischem Methan und Wasserstoffzumischungen zu bauen“. 

Doktorand Karsten Schleef ist einer von drei jungen Forschern am Lehrstuhl, der all sein Wissen beim Aufbau einer dafür notwendigen Gashochdruckstation in die Waagschale wirft.  „Wir wollen zwei neue Brennverfahren erforschen, die es bei mittelschweren Großmotoren noch nicht gibt“, sagt der Vater zweier Kinder. Bei diesen Verfahren werde das Gas direkt in den Zylinder eingedüst, wie es in der Fachsprache heißt. Das biete nicht nur Vorteile in Bezug auf klopfende Verbrennung, die Bauteile zerstören kann, sondern vor allem hinsichtlich der Treibhausgasemissionen und Wirkungsgrade. „Bei allen Fortschritten in der Motoren-Entwicklung drückt uns das Problem des unverbrannten Methan-Ausstoßes“, sagt Karsten Schleef. Um das zu ändern hat der Lehrstuhl eine exzellente Infrastruktur für das Erforschen von neuen Gasbrennverfahren aufgebaut.

In dem Forschungsprojekt ist die FVTR GmbH, eine Ausgründung aus der Universität Rostock, an der Schnittstelle zwischen universitärer Grundlagenforschung und den Anforderungen der Industrie ein wichtiger Partner. „Wir entwickeln ein Methanschlupfmodell, um die CH4-Emissionen eines modernen Dual-Fuel-Motors vorauszusagen. Das ist wichtig, da ein großer Teil der Motorentwicklung heutzutage digital über Berechnungstools stattfindet“, sagt Dr. Martin Theile, der für das Team Angewandte Thermodynamik in der FVTR GmbH verantwortlich ist. Die Experten kümmern sich in einem eigenen Teilprojekt um die Berechnung und Simulation von motorischen Fragestellungen, aber auch allgemeinen thermodynamischen Problemstellungen. Mit dem Methanschlupfmodell kann der Entwicklungsingenieur am PC die Betriebsparameter identifizieren, die sich positiv auf den Methanschlupf auswirken. Das reduziere den experimentellen Umfang und damit Entwicklungskosten und -zeit, sagt Martin Theile. Konkret heißt das: Das Methanschlupfmodell ist eine Verknüpfung verschiedener mathematischer Gleichungen, um die komplexen physikalischen und chemischen Prozesse, die für die Entstehung der Methanemissionen eines solchen Motors verantwortlich sind, möglichst genau zu beschreiben. Dieses Modell kann am Projektende als Softwarebaustein in gängige Ingenieurssoftware integriert werden. Am Ende geht es darum herauszufinden, welches das Brennverfahren der Zukunft ist. Text: Wolfgang Thiel

v.l.: Die drei experimentell arbeitenden Motorenforscher Karsten Schleef, Sebastian Cepelak, Björn Henke (Alle frisch und negativ auf Corona getestet.) vor dem Einzylinder-Forschungsmotor des Lehrstuhls für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren. (Foto: Universität Rostock/Thomas Rahr).
v.l.: Das Rostocker Projektteam Sebastian, Cepelak, Dr. Martin Theile, Björn Henke, Karsten Schleef, Jules Dinwoodie vor der zum Prüfstand gehörenden Anlagentechnik. Die aufzubauende Gashochdruckerzeugung wird völlig neue Forschungsinhalte ermöglichen. (Foto: Universität Rostock/Thomas Rahr).

Kontakt

Dipl.-Ing. Karsten Schleef
Universität Rostock
Lehrstuhl für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren
Tel.: +49 381 498-9419
E-Mail: karsten.schleefuni-rostockde | www.lkv.uni-rostock.de